Henrik Hillenbrand

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Henrik Hillenbrand, Übergänge (AT), 2019–20, Reiseerzählung

„Übergänge“ (AT) schildert eine Reise durch Japan im Herbst 2019. Eine zentrale Rolle spielt dabei die japanische Literatur und ihr Schreiben über Orte.


Auszug: Der Amagipass
In der Erzählung „Die Tänzerin von Izu“ wandert der Protagonist von einem Ort namens Bad Shuzenji im Landesinneren über den Amagipass nach Shimoda ans Meer. Er verliebt sich in die vierzehnjährige Kaoru. Die Liebe mündet in keiner dauernden Verbindung, doch sie verwandelt die Wahrnehmung des Erzählers, bringt in ihm eine silberne Quelle zum Sprudeln, wie er sagt. Auch ich kenne die Liebe als Wunder. Sie ereignete sich, als ich mich besonders schwach fühlte. Vor einigen Jahren kehrte ich während meines Studiums zwei Wochen zu meinen Eltern zurück. Ich fuhr ohne Ziel mit dem Wagen meiner Mutter durch das bayerische Hinterland und hoffte, dort meine Traurigkeit zu verlieren. Am Ende der zweiten Woche ging ich zu einem Psychotherapeuten, einem Mann Anfang sechzig, ein Österreicher mit Praxis im Lehel in München. Er nahm das Gespräch an einer alten Tonbandmaschine auf. Nun wird es ernst, dachte ich und kam mir vor wie ein Simulant. Ich erzählte ihm, Maler werden zu wollen, mich unter dem Einfluss meiner Eltern für Design entschieden zu haben. Man könne sich nicht selbst überlisten, meinte er. Wenn ich malen wolle, solle ich malen. Ich berichtete, im Studium mein Selbstverständnis verloren zu haben und keinen Kontakt zu Frauen mehr zu finden. Ich solle mich nicht zurückziehen, mich nicht freiwillig ins Kloster begeben, riet er mir. Es schien mir fast ungerecht, ihm meine jugendlichen Probleme zu schildern. Vielleicht sehnte er sich danach, jung zu sein. Selbst die Jugend empfand ich als Belastung. Im letzten Moment entschied ich mich, mit meinem Vater zur Kunstakademie nach Stuttgart zu fahren, wo das Sommerfest stattfand. Er hatte einen Geschäftstermin in Karlsruhe. Während wir über die A8 rauschten, dachte ich an Minori. Einige Wochen zuvor hatten wir uns zum ersten Mal unterhalten.


Henrik Hillenbrand, geboren 1987 in Langenfeld, von 2017 bis 2020 postgraduales Studium der Medialen Künste an der Kunsthochschule für Medien Köln; zuvor Studium des Kommunikationsdesigns
an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und der Philosophie und deutschen Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians- Universität München.  |  equallyathomeeverywhere.com


Diplombetreuung: Prof. Katrin Laur, Juliana Kálnay, Prof. Ulrich Peltzer

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