Club der imaginären Dichter

Dichter, die Dichter erfunden haben, von James MacPhersons „Ossian“ bis hin zu Fernando Pessoa, Lars Gustafsson und Franz Josef Czernin: In diesem Seminar lesen wir nicht nur die Klassiker des lyrischen Maskenspiels und stellen sie Sitzung um Sitzung in kurzen Referaten vor, sondern tun es ihnen gleich. Genauer: Wir erfinden Dichter, ihr Wirken und ihre Biographie – und schreiben ihre Gedichte in ihrem Namen. Es wird sich um Texte handeln müssen, die uns und unserer eigenen Poetologie einerseits so fremd sind, dass wir sie nie unter eigenem Namen veröffentlichen würden, und die doch einem Aspekt unseres eigenen Schreibens nahe kommen, die vielleicht einer geheimen Vorliebe entsprechen, die uns jedenfalls interessant genug erscheinen, um sie überhaupt schreiben zu können. Er bewege sich „du connu à l’inconnu“, bemerkte Émile Zola einst zum experimentellen Roman. Gleiches muss von jedem neuen Gedicht verlangt werden, doch setzen wir noch früher an und erfinden den Entdecker dieses Unbekannten gleich mit. Gemeinsam ließe sich so ins Grübeln kommen über Rollengedichte und Dichterrollen – und aus neuer und unvertrauter Perspektive über ganz grundsätzliche Fragen der Form, der Tradition, des Stils reden. Neben den neuen Gedichten der imaginären Dichter, vor dem Hintergrund dieses fremden Schreibens, können auch zuvor verfasste, eigene Gedichte der Seminarteilnehmer*innen besprochen werden. Vielleicht gelingt es sogar, als krönenden Abschluss ein kleines „Festival der erfundenen Dichter“ zu organisieren?