280 Seiten, zahlreiche teils ganzseitige Abb. in S/W, 21 x 14,8 cm, Klappenbroschur, Fadenheftung. Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König, 2000.
ISBN 3-88375-437-7
Hrsg.: Kunsthochschule für Medien Köln mit dem Verein der Freunde der Kunsthochschule für Medien Köln.
Konzept und Redaktion: Thomas Hensel, Hans Ulrich Reck, Siegfried Zielinski.
Die Rede von der Globalisierung ist allgegenwärtig. Es ist eine strategische Rede. Sie kommt nicht von den Inseln oder den Peripherien. Sie kommt aus den Zentren. Sie kommt aus den Territorien, in denen die Macht zu Hause ist.
Territoriale Gebilde, wie zum Beispiel Europa, haben einen Hang und
einen Drang zur Universalisierung. Die Vorstellung einer einzigen,
geeinten Welt ist ein Phantasma. Wirkungsmächtig bis hin zur Pathologie,
bildet es paradoxerweise zugleich einen Fluchtpunkt für all diejenigen
Kräfte, die sich von den Energien des Chaotischen, Zufälligen,
Ungeordneten faszinieren lassen.
Daß die Welt konsistent sei, ist philosophisches Postulat. Daß sie
irgendwann als inkonsistent sich erweisen könnte, bleibt eine ebenso
verführerische wie bedrohliche Suggestion.
Inselreiche - so haben wir u. a. von dem Schriftsteller Edouard
Glissant gelernt - sind zersplitterte Gebilde. Sie benötigen
Verbindungen und Möglichkeiten der Bewegung zwischen den autonomen
territorialen Fragmenten. Aber sie können ohne die Vereinheitlichung
leben, sehr gut leben. Für die Festländer ist das Leben auf der Insel
ein Traum, den sie nur ab und an, auf kurze Zeit, sich zu erfüllen
trauen. Zumeist mit verheerenden Folgen für die Inseln.
Wenn es dem vorliegenden Jahrbuch der Kunsthochschule für Medien
Köln um Mundialität zu tun ist, dann richtet sich sein Augenmerk nicht
auf dieWelt, sondern auf disparate Welten. Diese Welten können
unterschiedlicher nicht sein: materiell oder immateriell, aktual oder
erträumt, ganzheitlich oder fragmentiert und in verschiedenster Weise
erinnert, erfahren oder entworfen. Herauszustellen sind die
einzigartigen Differenzen zwischen Regionen, die früher globalen
Scheidungen in Ost und West wie Nord und Süd subordiniert wurden.
Globalisierung bedeutet dagegen vor allem das Projekt der Schaffung
eines einheitlichen Marktes. Die Kartographie entstand als eine Technik
der Imagination und der Orientierung, aber auch als eine Wissenschaft
der Universalisierung. Landkarten waren und sind Instrumente der
Eroberung. Das Internet ist eine dynamische Datenkarte, ein
Orientierungs- und Eroberungsnetz für die neue Ökonomie der Zeit.
Künstlerische Praxis und das Nachdenken über sie brauchen andere
Wörter, Bilder und Töne. Unsere Sehnsucht ist zu wertvoll, um sie
Strategien auszuliefern, und seien sie auch noch so glänzend verpackt.
An nahen und fernen Orten haben wir nach Spuren und Hinweisen
gesucht, wie die Welt anders gelesen, gedeutet und inszeniert werden
könnte. Zur raschen Organisation der Beiträge haben wir das Internet
benutzt. Um das Buch, so wie es ist, zu Stande bringen zu können, haben
wir das wertvollste Netz genutzt, in das die Kunsthochschule für Medien
Köln eingebunden ist: das filigrane Netz freundschaftlicher Beziehungen.