Die Kunst- und Musikhochschulen in Nordrhein-Westfalen erkennen die dringende Notwendigkeit von Maßnahmen zur Eingrenzung der Covid-19-Pandemie, problematisieren jedoch den undifferenzierten Umgang mit Kunst, Kultur, Freizeit und Unterhaltung, dessen Folge geschlossene Theaterhäuser, leere Konzertsäle und abgesagte Ausstellungen sind.
Mangelnde Differenzierung
Die Vermengung der Bereiche „Kultur" und ,,Freizeit" lässt im Diskurs die Anerkennung des Mehrwertes von Kultur vermissen. Wenn trotz genehmigter Sicherheitskonzepte, großer Räumlichkeiten und geeigneter Lüftungsanlagen Veranstaltungen nicht durchgeführt werden dürfen, ist dies ein falsches Signal und konterkariert die Bemühungen (und finanziellen Aufwendungen) von Kultureinrichtungen.
Kultur ist mehr als Freizeit.
Und: Sie ist keine Einbahnstraße
Im Gegensatz zu Freizeitangeboten, in denen Besucher*innen vorwiegend konsumieren, 1 iefern Kunst und Kultur weitaus mehr: Sie können Mut machen und Entwicklungen sichtbar werden lassen. Kulturelle Angebote geben Raum, einer bedrückenden Alltagssituation für eine gewisse Zeit zu entgehen, und tragen zum Verständnis komplexer Prozesse bei. Kultur bildet aktiv die Gesellschaft mit und schafft Räume, sich selbst in gesellschaftliche Diskurse einzubringen, im geschützten Rahmen Unsicherheiten sowie Ängste zu kommunizieren und sich (besonders in Zeiten von „social distancing") einer sozialen Gruppe zugehörig zu fühlen.
Perspektiven für Studierende der Kunst- und Musikhochschulen
Die rund 7.000 Studierenden der Kunst- und Musikhochschulen NRW begannen ihre künstlerische Ausbildung mit dem Ziel, auch solche Prozesse zu gestalten. Diese jungen Menschen haben ihre Berufsziele im Vertrauen darauf gewählt, dass ein Berufsleben in den künstlerischen Fächern sinnstiftend und gesellschaftsrelevant ist. Dieses Vertrauen wird angesichts der politischen Entscheidungen enttäuscht. Es stellt sich die Frage, wie eine Gesellschaft von morgen aussehen wird, wenn in Zeiten der Not mit Kunst und Kultur ein Grundpfeiler sozialen und gesellschaftlichen Zusammenlebens geschwächt wird.
Die Sicht des Staates auf Kultur
Das Land NRW unterhält mit den Landestheatern- und Orchestern sowie den öffentlichen Museen, Kunst- und Musikhochschulen, Bühnen und Musikschulen eine Vielzahl an landeseigenen Kulturinstitutionen und gibt damit ein starkes Bekenntnis zu Kunst und Kultur ab. Es verwundert, dass es diese Einrichtungen sind, die scheinbar ungeachtet jedweder genaueren Betrachtung der bereits genannten Aspekte als erstes geschlossen werden. Als Träger dieser Häuser sollte das Land sein Ziel einer kulturellen Versorgung deutlicher verfolgen.
Kultur und Kunst bieten Plattformen für Diskurse
Kultur nimmt gesellschaftlich relevante Themen auf und bearbeitet sie. Damit fördert sie den auch den Ausgleich gesellschaftlicher Kräfte und politischer Zielsetzungen. Mit der Schließung von Kultureinrichtungen nimmt sich die Politik die Möglichkeit, die drängenden Diskurse der Gesellschaft auch außerhalb von Social Media, Fernsehtalkshows und Boulevardschlagzeilen zu platzieren. Gerade Kunst und Kultur haben die Möglichkeit und die Aufgabe, sich mit der Covid- 19-Pandemie als gesellschaftlich relevantem Thema zu befassen.
Die Kunst- und Musikhochschulen in NRW zeigen sich solidarisch mit den Sorgen und Nöten der Kulturbetriebe und Kunstschaffenden im Land. Angesichts der schwer abzuschätzenden pandemischen Entwicklung sprechen sie sich mit diesem Statement dafür aus, die befristete Schließung von Kultureinrichtungen nicht über November 2020 hinaus fortzuführen.
Die Landesrektorenkonferenz der Kunst- und Musikhochschulen NRW