Vortrag von Dr. Guido Arnold vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung: Warum ChatGPT mit den 'sozialen' Medien als Resonanzraum Rechtsextremismus befördert, Ungleichheit vergrößert und Gemeinschaft zersetzt. Und warum die politische Radikalisierung der BigTech-Protagonisten mehr als nur ein 'Trump-Effekt' ist.
Die derzeitige Stärke autoritärer und rechtsextremer Strömungen weltweit fällt zusammen mit einer wachsenden Verunsicherung durch multiple Krisen (Klimazerstörung, Kriege, ökonomische Krise, unaufgearbeitete Pandemie, ...) und einem massiven Bedeutungszuwachs ‚sozialer‘ Medien innerhalb der letzten fünf Jahre.
Algorithmisch verstärkte Polarisierung über Hass, Hetze und Falschinformation zerstört dabei weit mehr als 'nur' eine gemeinsame Debattenkultur. Eine Flut von postfaktischem Unsinn (sogenannter Bullshit) zersetzt die Grundlage für politische Willensbildung. Das ist leider kein unschöner Nebeneffekt einer 'neutralen' technologischen Entwicklung, sondern vielmehr Teil eines technologischen Angriffs auf 'das Politische' an sich, angetrieben von einer patriarchalen und ideologisch immer offener rechtsextrem auftretenden Tech-Oligarchie.
Das Zusammenwirken von Autokratie-Anhängern, Faschisten und reaktionären Tech-Feudalisten erreicht in den USA ein neues Bewegungsniveau. Die ‚Tech-Oligarchie‘ stellt dabei nicht nur Technologien zur Verfügung, die insbesondere rechtsextremen Bestrebungen nützlich sind, sondern befeuert aktiv einen breit angelegten rechten Kulturkampf. Ihr radikal anti-demokratisches Technologieversprechen mit dem Fluchtpunkt einer superintelligenten KI dient dabei als visionäreFortschrittserzählung, die angesichts einer allgemeinen Utopiearmut in der Mehrfachkrise mehr und mehr verfängt.
Eine feministische und antifaschistische Gegenbewegung kann dieses autoritäre Zukunftsprojekt nicht ignorieren. Eine unkritische Nutzung der vermeintlich 'neutralen' Technologien als 'bloße Werkzeuge' befördert hingegen deren Normalisierung und damit eine weitere Machtkonzentration dieser "Rechtsaußen-Tech-Oligarchie".
Dr. Guido Arnold arbeitet am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung zum Thema Digitalisierte Biopolitik. Er hat an den Universitäten Wuppertal und Nantes theoretische Physik studiert und in der Quantentheorie promoviert. Danach arbeitete er am Forschungszentrum Jülich an der Simulation von Quantencomputern auf Höchstleistungsrechnern. Seit seiner Beschäftigung mit algorithmischer Modellierung physikalischer Systeme setzte er sich mit der Übertragung solcher Computersimulationen auf soziale Systeme auseinander.
Guido Arnold bewertet die im Zuge des Digitalismus neu aufkeimende Hoffnung vieler Technokrat*innen auf eine umfassende Kybernetik des Sozialen kritisch: Die Kombination selbstlernender Algorithmen aus dem Bereich der „künstlichen Intelligenz“ mit „Big Data“-Methoden zur Analyse großer Datenbanken, ermöglicht bedrohliche Fortschritte auf dem Weg in eine programmierte Gesellschaft.
Auf Einladung von Christian Heck (Künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter für Ästhetik und neue Technologien / Experimentelle Informatik). Die Veranstaltung findet im Rahmen des Grundlagenseminars "Künstlichkeit und Intelligen –Medien, Krieg und algorithmische Gewalt" statt.