Blurry, Flurry & Slurry

Die Fotoarbeit handelt von der Übertreibung der fotografischen Geste und versucht auf diese Weise die Grenzen des Mediums der Fotografie aufzuspüren. Als technische Grundlage dient dabei ein astronomisches Teleskop mit einer über hundertfachen Vergrößerung der alltäglichen Blickwirklichkeit. Mithilfe dieses Aufbaus lassen sich grundlegende Prinzipien der Fotografie hinterfragen und problematisieren. Zum Einen wird die Frage nach dem Privileg eines bestimmten Bildausschnitts als eine Selektion des Raumes auf die Spitze getrieben - der Blickausschnitt entspricht bei einer Brennweite von 5000 mm ungefähr einem Millionstel, also nur 0,0001 % des menschlichen Gesichtsfeldes. Als Fokus wähle ich einen 200 bis 300 Meter entfernten Punkt in einer gut gefüllten Einkaufsstraße. Ich richte mein Fernrohr auf mir unbekannte Menschen. Durch den Sucher erblicke ich einen unendlichen Menschenstrom. Die enorme Brennweite verdichtet den Raum, so dass der Bildeindruck einer wabernden Fläche ohne Horizont entsteht. Die Menschen laufen in meine Richtung, doch es existiert keine gemeinsame Situation; ich werde Ihnen erst Minuten später ins Auge fallen. Die Problematik des entscheidenden Augenblicks im Medium der Fotografie als Selektion der Zeit wird dadurch ebenfalls sinnfällig: fortwährend fließt der Strom. Unmöglich eine Person festzuhalten und kompositorisch zu isolieren; ich drücke wahllos auf den Auslöser. Als ein weiterer Grundsatz des fotografischen Mediums wird das Primat der Bildschärfe angetastet: die extreme Brennweite gestattet nur einen minimalen Schärfebereich. Optische Verzerrungen und vorhandene Luftturbulenzen schränken diesen Bereich zusätzlich ein. Übrig bleibt lediglich eine extreme relative Schärfe, die von identifizierbaren Personen über grimassenhafte Ungestalten bis hin zu verschiedenfarbigen Bildflecken reicht. Die Fotoarbeit sucht den Menschen und thematisiert die Darstellung seines Antlitzes. Die Annäherung an diesen konkreten Gegenstand erfolgt dabei durch das gezielte Eindringen in eine abstrakte Menschenmasse über eine große Entfernung. Auf diese Weise entstehen Bilder von Menschen die trotz oder wegen einer konsequenten Zentralperspektive kein Bildzentrum mehr aufweisen: Blurry, Flurry & Slurry bedeutet übersetzt: unklar, Unruhe und dünnflüssiger Schlamm.