In diesem Jahr mit dem thematischen Schwerpunkt "Sounding Archives – Poesie zwischen Experiment und Dokument".
"Sounding Archives – Poesie zwischen Experiment und Dokument" lautet das Thema der Poetica 7, des siebten Festivals für Weltliteratur, das von der Universität zu Köln zusammen mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vom 2. bis 7. Mai 2022 in Köln veranstaltet wird. Kuratorin ist die Lyrikerin und Übersetzerin Uljana Wolf. Sie hat neun internationale Autor*innen und eine Klangkünstlerin zu öffentlichen Lesungen, Performances und Diskussionen eingeladen.
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Lesungen und Gespräche mit Fiston Mwanza Mujila, Anja Utler und Cecilia Vicuña
Mittwoch, 4. Mai 2022, 19.00 Uhr im Filmforum im Museum Ludwig, Bischofgartenstraße 1, 50667 Köln
Kooperationsveranstaltung der Poetica mit der Kunsthochschule für Medien Köln und dem Literaturhaus Köln
Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt
Die Hinwendung der Lyrik zu Vergangenheiten aus Klang verändert auch das lyrische Ich. Der Logos wird dezentriert, ja weggespült, das Gedicht wird durchlässig und hellhörig für Hintergrundgeräusche, für nicht-menschliche Geräusche, für die Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt. Ist das Klang-Denken der Dichtung vielleicht immer schon ökologisches Denken? Dies gilt jedenfalls für die drei Dichter*innen dieses Abends.
Anja Utler spannt Sprachstockungen wie ausgetrocknete Flussarme zwischen Generationen auf, inszeniert eine dystopische Rede zwischen Mutter und Tochter mit "Bissspuren vergangener Flüssigkeit". In der von Jazz beeinflussten, wirbelnden, aufgewühlten Lyrik Fiston Mwanza Mujilas fließt der Kongofluss – "Ein Fluss ohne / Nationalität. Ein freier Fluss. Ein unabhängiger Fluss. Ein Fluss / großgeschrieben. Ein Flussfluss!" Er ist ein trauriges Grab für Träume und die Körper der Verlorenen, die er hungrig frisst. Und zugleich ekstatisches Sinnbild für die Widerstandskraft des Menschen angesichts immer verheerenderer Not durch Armut, Ausbeutung, Bürgerkrieg.
Die zerstörerischen Auswirkungen des Anthropozäns auf den Planeten – und damit auf unsere Erinnerung – nimmt die international gefeierte Künstlerin und Autorin Cecilia Vicuña seit den siebziger Jahren in den Blick, immer mit einer dezidiert feministischen Perspektive. Ihre Kritik an der Gewalt durch Usurpation und Beherrschen-Wollen ist auch eine Kritik an der Vorstellung, es gäbe eindeutige Ursprünge und Grenzen, mit denen man Besitzansprüche legitimieren kann. Dies ist eine ästhetische und zugleich politische Position.
Alles in Vicuñas Werk ist verwandt, verwoben, vielsprachig, zwischen Medien, Künsten und Sprachen mäandernd. "Die Erinnerung an die Heiligkeit des Wassers", sagte Vicuña einmal, sei ihr wichtigstes Lebenswerk. Denn Chile werde als eines der ersten Länder der Erde dank Ausbeutung und Privatisierungen kein frei zugängliches Trinkwasser mehr haben.
Öffentlicher Workshop von Ain Bailey mit den Autor*innen der Poetica
Donnerstag, 5. Mai 2022, 14.00 Uhr in der Aula der Kunsthochschule für Medien Köln, Filzengraben 2, 50676 Köln
Kooperationsveranstaltung der Poetica mit der Kunsthochschule für Medien Köln
Die Veranstaltung findet auf Englisch statt
Ossip Mandelstam sah den Dichter als leere Muschel, ein unbewohntes Haus, in das die Nacht Geräusche deponiert: "Du füllsts mit Schaumgeflüster aus, / mit Regen, Nebelschwaden, Wind …" Walter Benjamin wiederum hielt sich das neunzehnte Jahrhundert als hohle Muschel ans Ohr und hörte "den dumpfen Knall, mit dem die Flamme des Gasstrumpfs sich entzündet". Geräusche und Klänge beeinflussen als "lifetime soundtrack" unsere Identität, unsere Selbstwahrnehmung, unsere Wahrnehmung von Sprachen, von Rhythmus und Melodie – und unser Schreiben.
Und was hören die Dichter:innen der Poetica 7? Gemeinsam mit der Klangkünstlerin und DJ Ain Bailey werden die eingeladenen Autor*innen in einem öffentlichen Workshop diese Frage anhand mitgebrachter Töne, Songs und Geräusche erkunden. Bailey widmet sich in ihrer oftmals kollaborativen und intermedialen Praxis der Erforschung von Klang-Autobiografien. Was als Werkstatt mit Geflüchteten und LGBTQIA+ community in der Serpentine Gallery begann, bildet neben der Arbeit mit architektonischer Akustik und field recordings nun einen wichtigen Aspekt ihres Werks. Im Fokus steht dabei das Zusammenspiel zwischen individueller Klangerinnerung, gemeinsamen deep listening und Austausch über die mitgebrachten Klänge. Ein Zusammenspiel, das für Bailey ein politischer Akt ist, "because we all have this idea that we are very separate, ›everyone’s out for themselves‹. And I think in that moment, there’s a collectiveness that we don’t necessarily experience regularly."