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Zur Erinnerung an David Larcher, 1942 - 2023

KHM
Foto: Natalie Bewernitz und Marek Goldowski

Zum Tod des ehemaligen Professors für Videokunst und elektronische Medien (1996 bis 2007) an der KHM.

Im März 2023

Als Peter Kubelka 1970 im New Yorker Anthology Film Archive erstmals sein „Invisible Cinema“ installierte, einen in tiefstes Schwarz getauchten Kinoraum mit voneinander abgetrennten Boxen für die ZuschauerInnen, deren Blicke durch Scheuklappen auf die Leinwand fixiert waren, hatte er dabei gewiss nicht das Werk von David Larcher im Sinn. Ging es Kubelka um die Verfeinerung der sensorischen Wahrnehmung eines „essential cinema“ durch die Separierung des Publikums, folgte Larcher einem entgegengesetzten Programm: dem der Entgrenzung.


War er bei seinen Vorführungen anwesend, kam es oft zur direkten Interaktion zwischen Macher und Publikum: Larcher rief dazwischen, scherzte, provozierte, lud das Ereignis mit seiner nervösen Energie. Sah man seinen Camper, Relikt der Hippieära und wichtigstes Objekt seiner unsteten, nomadischen Existenz, vor einem Festivalkino parken, wusste man, dass die Ereignisse nun einen anderen Verlauf als den geplanten nehmen würden. Intervenierte Larcher in Performances von anderen, hatte dies allerdings eher den Charakter eines jungenhaften Streichs, als den eines zerstörerischen Sabotageakts. „Erwähne den Namen David Larcher gegenüber fast jedem in der Avantgarde-Filmszene und du bekommst Geschichten über Exzesse, wilde Zeiten und das Highlife der Bohème zu hören.“ (Nic Houghton)


1942 als Sohn britischer und französisch-mauritischer Eltern in London geboren, studierte Larcher paläolithische Archäologie an der Universität Cambridge sowie Film und Fernsehen am Royal College of Art in London. Um 1963 begann er mit Fotografie und Film zu arbeiten, seit den frühen 1980er Jahren auch mit Video. Sein finaler Bruch mit dem analogen Film war für viele so überraschend wie radikal: „Ich hasse dieses Zeug.“


Mit Filmen wie „Mare's Tail“ (1969) und „Monkey's Birthday“ (1975) wurde Larcher zum Vertreter eines persönlich geprägten Experimentalfilms, dessen über lange Zeiträume gesammelten Motive im unmittelbaren Lebensumfeld des Künstlers gefunden und mittels Handentwicklung, Druckverfahren auf dem optischen Printer und Techniken des Wiederabfilmens in oft epischen Längen arrangiert wurden. In der Zeit des Primats des Strukturellen Films mit seinem rigiden Regelwerk besetzte Larcher mit seiner überbordenden Formensprache eine Außenseiterposition –, eine viel beachtete allerdings. Ab Mitte der 80er Jahre bevorzugte er elektronische Medien, erlaubten sie ihm doch eine fluidere Abfolge seiner Bilder, eine komplexe Verfremdung, sowie eine Verdichtung und Gleichzeitigkeit von Motiven. Bilder generierten Bilder wie in einem endlosen Geburtsprozess. Prozesshaft entstanden verschachtelte „Bildlabyrinthe, Welten innerhalb von Welten und Erforschungen persönlicher Erzählungen und Erinnerungen durch Collage und Schichtung.“ (Jackie Hatfield)


Von 1996 bis 2007 hatte David Larcher die Professur für Videokunst und elektronische Medien an der Kunsthochschule für Medien inne. In enger Zusammenarbeit mit Matthias Neuenhofer etablierte er hier einen geistigen und künstlerischen Freiraum, in dem sich die Forderung der klassischen Avantgarde nach einer Überwindung der Schwelle zwischen Kunst und Leben erfüllen durfte. Dabei begriff Larcher das Experiment als Teil der künstlerischen Praxis und die Medienreflexion nicht zuletzt als Beiträge zur Persönlichkeitsentwicklung seiner Studierenden. Wie sein künstlerisches Werk war auch seine Lehre geprägt von dem Anspruch auf eine gelebte Freiheit, „die viele wünschen, die meisten fürchten und die übrigen wegintellektualisieren“, wie Stephen Dwoskin einst über seinen Freund sagte.


Noch vor kurzem, bereits im Bewusstsein seines nahenden Todes, hatte Larcher Londoner Freunden aus der Dordogne ein Foto seiner verrosteten Filmdosen geschickt; in einer offenen Dose war ein Streifen Vorspannband zu sehen mit der Aufschrift: „NEW MOVIE“.


Mit dem Tod von Michael Snow, Gianfranco Baruchello, David Rimmer, Birgit Hein und Peter Weibel hat der experimentelle Film seit Anfang dieses Jahres bereits schwerste Verluste erleben müssen. Am 7. März ist nun auch David Larcher seinen WeggefährtInnen gefolgt.


Matthias Müller, Professor für Experimentellen Film an der KHM




Editor — Juliane Kuhn
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