edition KHM, Band 1, Herbert von Halem Verlag, Köln 2017, mit einem Beitrag von Christine Bruggmann,
"Hommage an Afrika", 432 S., 163 Abb., Broschur, 24 x 17 cm, 54,00 EUR.
ISBN 978-3-86962-230-9
Erscheinungstermin: 23.2.2017
Vom Kult zur Kunst
Die Neuerscheinung "Ritualkunst zwischen Kult und Museum. Dissonante Ästhetiken am Beispiel Afrikas" von Hans Ulrich Reck ist der erste Band der Schriftenreihe edition KHM, die von der Kunsthochschule für Medien in Kooperation mit dem Herbert von Halem Verlag herausgegeben wird. Der Autor erörtert die Problematik bei der Einbindung ursprünglich kultischer Artefakte in den Bestand von Museen nach europäischem Vorbild am Beispiel afrikanischer Kunstgegenstände.
Mit Beginn des 19. Jahrhunderts setzt in den bildenden Künsten eine Aufbruchbewegung ein, die sich einige Jahrzehnte später zur Auffassung verfestigt, Kunst sei einer permanenten Welterfindung verpflichtet und müsse bedingungslos innovativ sein. Die Praktiken der Kunst werden konzeptuell, Künstler suchen und testen Entwürfe für neue Wirklichkeiten. Jeden Tag eine neue Sprache erfinden, eine neue Welt, ist das Motto spätestens seit Arthur Rimbaud.
Am Beispiel afrikanischer Kunst zeigt Hans Ulrich Reck, wie von Stammeskulturen geschaffene Kunstwerke aus ihrer ursprünglichen Bedeutung als kultische Objekte herausgelöst und in das Kunstsystem der Museen nach europäischem Vorbild eingegliedert werden. Im Zuge dieser Eingliederung finden zwei Prozesse statt, die Reck "Dekontextualisierung" und "Rekontextualisierung" nennt. Dekontextualisierung bezeichnet den Verlust der kultischen Bedeutung eines Kunstwerks: Es erfüllt als Museumsstück nicht länger die Funktionen, die es in derjenigen Gesellschaft hatte, deren Produkt es ist. Im Unterschied dazu bezeichnet Rekontextualisierung den Hinzugewinn einer neuen, nicht mehr kultischen, sondern rein ästhetischen Bedeutung innerhalb des Museumskontextes.
Zugleich ist die Überführung von Kunstwerken kultischen Ursprungs in Museen aber auch problematisch: Sie stellt immer auch einen "Kunstraub" an derjenigen Gesellschaft dar, der das überführte Kunstwerk entstammt und für die es mit seiner ursprünglichen, kultischen Bedeutung aufgeladen ist.
In der vorliegenden
Publikation wird der gesamte Problembestand im Themenkomplex einer
zivilisatorischen Annektierung ritueller Kreativität umrissen. Die
Kunstgeschichte dieser Verschiebung wird erläutert mittels Einbezugs von
Künstlertheorien, einer ästhetischen Kritik der Avantgardekunst, aber auch der
Philosophie des künstlerischen wie – genereller – des kreativen Schaffens.