Zwischen Wald und Offenland, zwischen Gräben und Straßen, zwischen Wegen und Wiesen, dort wo Lebensräume aneinander stoßen, bilden schmale Ausdehnungen von Blütenpflanzen, die jährlich wieder aus ihren Wurzeln ausschlagen, einen Saum. An Mauern vorbei, an Gebäuden entlang, an Zäunen empor, bildet der Saum Linienbiotope von Pflanzengesellschaften, die vielfältige Rollen in der Natur erfüllen. Sie sind Schutz- und Lebensräume des Übergangs, die zwischen den Strukturen, in denen sie sich befinden, vermitteln und einen funktionalen Kontakt verschiedener Lebensräume ermöglichen und ein Netzwerk formen. In der 7. Ausgabe von IN MY HANDS agiert das Magazin als Objekt zwischen den teilnehmenden Künstler*innen und den Betrachter*innen und positioniert sich als Zwischenraum der haptischen und physischen Vermittlung von Fotografie. Es werden fotografische Arbeiten von 10 Künstler*innen gezeigt, deren Ausgangspunkt die Beantwortung der Frage What‘s your love story? war. Jede Arbeit geht individuell auf die Frage ein und erzählt eine Geschichte, die die Thematik Liebe aufgreift, auf die eigene Definition untersucht und prüft. In der fotografischen Erwiderung auf die Frage What‘s your love story? grenzen sich die einzelnen Arbeiten in ihrem künstlerischen Ausdruck voneinander ab, werden jedoch durch das gewählte Medium Fotografie und durch die kollektive Sammlung in dem Magazin miteinander vereint. Das Magazin als Träger der fotografischen Arbeiten ist in Anlehnung an das klassische Format Leporello zusammengefaltet. So kann Bild für Bild betrachtet und in der vorgegebenen Setzung, als Strang einer Geschichte aus Bildern, gelesen werden. Entfaltet man das Magazin als Ganzes, bricht das Format auf und offenbart das gestalterische Raster und die Gesamtkomposition des Magazins als Objekt. Die Trennung der Bilder aus dem gefalteten Format wird aufgehoben und erlaubt es den einzelnen Geschichten in ihrer Vernetzung durch das Magazin miteinander zu agieren. In seiner Materialität distanziert sich das Magazin von der vertrauten Haptik und kombiniert Stoff und Papier miteinander. Der Stoff wird zum Träger der Bilder, die auf ihn genäht sind. Dünne Fäden ziehen ihre Linien parallel zu den Falten im Stoff, welcher einer Falz im Papier gleichen. Der Faden durchdringt Papier und Gewebe, verknüpft Bild mit Bild und verhindert das Magazin nur als Informationsträger zu begreifen. Das Material setzt das Magazin in neue Kontexte und lädt zur Interaktion und Erfahrung im realen Raum ein. Was der Saum in der Natur ist – ein Lebensraum, der zwischen zwei Strukturen vermittelt und verbindet – ist das Gegenteil von dem Saum eines Textils, eine saubere Kante, die den Stoff verschließt und davor schützt, dass sich das Material auflöst. Die Seiten des Magazins verweisen auf die Ästhetik von gerissenem Stoff. Das Gewebe offenbart sich seiner Substanz und lässt Fäden ziehen. Kein Saum, der davor schützt, Veränderungen der Beschaffenheit des Objektes zu bestreiten. Die feinen Fäden lösen sich langsam aus ihrem Geflecht, wie Wurzeln, die offen liegen und schutzlos hergeben, was sie sind. Eine Pflanze zu betrachten, deren Wurzelwerk offen gelegt ist und sonst von Erde bedeckt wird, ist ein Bild von einem entfremdeten Organismus. Entfremdung kann Distanz schaffen und kann zwischen Vertrauten und Ungewohnten etwas Neues entstehen lassen – ein Zwischenraum, der verbindet.
Collaboration:
Fotografien von: Cihan Çakmak, Karla Hiraldo Voleau, Antonia Koerfer, Carolin Köhler, Talisa Lallai, Meike Männel, Sidonie Ronfard, Emma Sarpaniemi, Samuel Solazzo, Jannike Stelling
Supervision:
Professor Johannes Wohnseifer, Prof. Alex Grein, Dr. Konstantin Butz
Authors: A production of the Academy of Media Arts Cologne.
Source:
Archiv Kunsthochschule für Medien Köln
Copyright: KHM / Autoren
Kontakt:
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